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Nutzungsmanagement Campus Irchel

Anti-Littering Irchelpark Kampagne

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C. Fischer: Frau Degenhardt, wieso braucht es eine Anti-Littering Kampagne im Irchelpark?

B. Degenhardt: Der Irchelpark ist täglicher Arbeitsweg für mehrere tausend Studierende und Mitarbeitende, er ist vergleichsweise sauber. Dies bestätigten die gut 750 Park-Besuchenden, die 2019 im Rahmen unseres Initialprojektes «Sauberer Irchelpark» während 119 Tagen befragt wurden. Ohne die permanente Reinigungsarbeit durch den Betriebsdienst sähe die Situation allerdings anders aus: Auch hier bei uns gibt es Party-Littering und Vandalismus. Die Verschmutzung fällt aber eher am frühen Morgen auf, bevor unser Betriebsdienst Irchel (BDI) seinen Rundkurs gemacht hat.

C. Fischer: Wieso haben Sie damals die Initiative ergriffen?

B. Degenhardt: Vor drei Jahren, als mir die Idee zu dem Projekt kam, sah es auch noch nicht ganz so gut aus wie heute, nachdem wir bereits verschiedene Verbesserungsmassnahmen umgesetzt haben. Dazumal, frisch in das angrenzende Quartier umgezogen, fielen mir auf dem Weg zur Arbeit durch den Irchelpark die Abfallberge vom Grillieren und Picknicken auf, die am frühen Morgen auf der Wiese am See und vor allem um die Abfallhaie herumlagen. Als Nutzungsmanagement Campus Irchel arbeite ich in einer Brückenfunktion für die drei Fakultäten Mathematisch-naturwissenschaftlich (MNF), Medizin (MeF) und Veterinärmedizin (Vetsuisse) auf dem Irchel sowie die Direktion Immobilien und Betrieb, zu der auch unser BDI gehört. Und als Naherholungsnutzungsspezialistin wusste ich, dass Littering ein Klassiker in der Umweltpsychologie ist, wenn auch kein einfaches Thema. Aber die UZH bildet in der Sozial- und Umweltpsychologie aus, und der Irchelpark gehört wie die UZH zum Kanton. Wer sonst als wir, sollten versuchen, mit einem guten Beispiel voran zu gehen?

C. Fischer: Welche Rolle spielt der Irchelpark für den Campus?

B. Degenhardt: Als einer der grössten neueren Pärke der Schweiz umschliesst der Irchelpark unseren Campus. Man könnte ihn als so etwas wie unser «Vorgarten» betrachten. Vor allem die vielen UZH Mitarbeitenden und Studierenden sowie die Bevölkerung aus den angrenzenden Quartieren nutzen ihn zur Erholung. Auch in der Lehre oder in der Umweltbildung spielt der Park eine Rolle. Da lag es für mich auf der Hand, die verschiedenen Akteure und hausinternen Expert*innen an einen Tisch zu bringen und zu schauen, inwiefern wir gemeinsam das Problem besser in den Griff bekommen und gesellschaftlich zu einer nachhaltigeren Erholungsnutzung und, natürlich auch im eigenen Interesse, zu einem kostensparenderen Abfallmanagement beitragen können.

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Littering, ist das Wegwerfen oder Liegenlassen kleiner Mengen Siedlungsabfall, ohne dabei die bereitstehenden Entsorgungsstellen zu benutzen (www.bafu.admin.ch).

C. Fischer: Herr Tobias, als Umwelt- und Sozialpsychologe begleiten Sie als wissenschaftlicher Experte die Anti-Littering Massnahmen des Nutzungsmanagements und BDIs. Was waren die zentralen Herausforderungen zu Beginn des Initialprojektes?

R. Tobias: Littering ist ein allgegenwärtiges und globales Problem, das erhebliche finanzielle, soziale und ökologische Probleme mit sich bringt. Daher wurden weltweit schon sehr viele Kampagnen zur Reduktion des Litterings durchgeführt und z.T. auch wissenschaftlich untersucht. Trotz dieser grossen Anstrengungen handelt es sich bei Littering um ein eher schlecht verstandenes Phänomen. Das liegt daran, dass es sich eigentlich um ein ‘Nicht-Verhalten’ handelt (man entsorgt den Abfall nicht korrekt), welches man nicht intentional, also absichtlich, ausführt und dessen man sich oft nicht einmal bewusst ist. Daher kann man die Personen nicht einfach fragen, warum sie den Abfall nicht ordnungsgemäss entsorgen – sie wissen es meist selbst nicht. Das Ziel des initialen Projekts war es deshalb, überhaupt erstmal zu verstehen, welche psychologischen Faktoren Littering beeinflussen und wo entsprechend Kampagnen ansetzen könnten.

C. Fischer: Welche Lehren konnten aus diesem Initialprojekt gezogen werden?

R. Tobias: Das vielleicht wichtigste Resultat ist, das Phänomen des Litterings im Irchelpark quantifiziert und charakterisiert zu haben. Tatsächlich zeigte die erste Studie nämlich, dass – von einzelnen ‘Extremereignissen’ abgesehen – sich Littering im Irchelpark in Grenzen hält. Das ist natürlich erfreulich, erschwerte aber die psychologische Untersuchung. Da es kaum etwas zu verändern gab, konnten wir auch kaum Effekte feststellen. Tendenziell schienen eher humorvolle, aber auch informative Elemente die meiste Wirkung zu zeigen. Zudem konnten einige strukturelle Verbesserungsvorschläge gemacht werden.

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C. Fischer: Herr Mangano, als «Mann an der Front», wie finden Sie bei Ihren Rundgängen den Park vor, und wie häufig müssen Sie vom Betriebsdienst «ausrücken», um den Irchelpark sauber zu halten?

B. Mangano: Das hängt vom Wetter und von der Jahreszeit ab. An einem normalen Wochentag mache ich um 9.00 Uhr meine erste Runde, kurz vor Mittag folgt eine kurze Kontrolle. Insgesamt kontrolliere bzw. reinige ich den Park dreimal am Tag.

C. Fischer: Die Reinigung des Parks ist nur ein Teil Ihres Aufgabenbereichs. Sind da nicht Konflikte mit Ihren anderen Aufgaben vorprogrammiert?

B. Mangano: Glücklicherweise habe ich einen kompetenten Vorgesetzten, der mich eigenverantwortlich arbeiten lässt. So kann ich, wenn ich im Park gröbere Verunreinigungen feststelle oder gemeldet bekomme, punktuell, d.h. ausserhalb des normalen Turnus reinigen gehen. Wir wollen ja alle an einer sauberen und gepflegten Uni arbeiten.

C. Fischer: Wann fällt der meiste Abfall an?

B. Mangano: Die grössten Verschmutzungen fallen im Sommer bei schönem Wetter an, speziell vom Freitag auf den Samstag. Das BDI Team reinigt den Park auch am Wochenende. Einen weiteren Verschmutzungshöhepunkt stelle ich jeweils gegen Semesterende fest.

C. Fischer: Inwiefern hatte sich das Abfallverhalten der Parkbesucherinnen und -besucher durch die ergriffenen Massnahmen bereits verändert? Sehen Sie Effekte?

B. Mangano: Die verschiedenen Anti-Littering-Plakate des «Sauberer Irchelpark» Projekts hatten dazumal eine positive Wirkung: Ich stellte immer wieder fest, dass gerade auch ältere Leute die Plakate zum Anlass nahmen, andere Parkbesucher*innen darauf hinzuweisen, den Abfall korrekt zu entsorgen. Das eigentliche Abfallverhalten hat sich wenig geändert und auch die Abfallmengen sind gleichgeblieben. Weiter haben sich die zusätzlich aufgestellten Abfallcontainer bewährt – gerade im Hinblick auf die vielen Pizzakartons. Diese werden meist einmal gefaltet und in den Abfalleimer gezwängt. Dort verstopfen sie dann den Abfallbehälter. Der Behälter ist dann oft noch halbleer, dennoch kann niemand mehr etwas hineintun. Die grossen Abfallcontainer sind hier eine echte Verbesserung.

Entsorgung Abfall Irchelpark

C. Fischer: Wie flossen die Erkenntnisse aus der initialen Studie in die neue Kampagne ein?

B. Degenhardt: Wie gesagt, mit dem anwendungsorientierten Forschungsprojekt «Sauberer Irchelpark» war das Ziel herauszufinden, wie wir die Parkbesuchenden am besten ansprechen können, damit der Abfall nicht überall herumfliegt und denkbare strukturelle Handlungsangebote und -barrieren zu identifizieren. Darauf aufbauend wurden ein Jahr später mehrere strukturelle Verbesserungsmassnahmen zusammen mit dem BDI vorgenommen, wie eine bessere Kennzeichnung der bereits vorhandenen Container oder das Aufstellen neuer Container an als neuralgisch identifizieren Punkten, wie der Wiese am See. Wir haben uns, sozusagen, zunächst an die eigene Nase gefasst und bei uns angefangen.

C. Fischer: Was ist der Unterschied der jetzigen «Wir sind neugierig!»- Kampagne zum Initialprojekt «Sauberer Irchelpark»?

B. Degenhardt: Die «Wir sind neugierig!» Plakatkampagne, mit der wir im Oktober 2021 in den Pilot gingen und in diesem Frühsommer 2022 die Hauptkampagne durchführen, geht noch einen Schritt weiter. Ihr Ziel ist es, die Parkbesuchenden dazu zu motivieren, im wahrsten Sinne des Wortes selbst noch einige Schritte weiter zu gehen und ihre in Taschen verstauten Abfälle in den nächsten leeren Abfallcontainer zu werfen. Denn wenn unserer Parktiere in der Nacht auf Nahrungssuche gehen, zerreissen sie die Papier- und Plastiksäcke neben den Abfallhaien und verteilen den Abfall. Dies wiederum verursacht einen hohen Reinigungsaufwand, kostet also Steuergelder.

R. Tobias: Genau. Die Quantifizierung des Litterings der ersten Studie zeigte, dass viele Personen den Abfall zwar zu den Abfallentsorgungsstellen bringen, ihn aber ausserhalb der Mülleimer oder Container deponieren. Vieles vom Littering, das erfasst wurde, könnte daher stammen, dass Tiere den so deponierten Abfall ‘untersuchten’ und verstreuen. Da schon die Information über die Problematik des Littering in der ersten Studie Effekte zeigte, erschien es angebracht, die Parknutzenden darauf hinzuweisen, dass es keine adäquate Form der Abfallentsorgung ist, diesen neben Abfalleimer oder Container zu stellen, sondern Abfall immer in den Behältern – oder zuhause – entsorgt werden muss. Entsprechend strebten wir an, ein in diesem Sinne informatives Plakat zu entwickeln, welches die Information aber mit einer Prise Humor vermittelt.

C. Fischer: Welche Information wollen Sie nun genau vermitteln?

R. Tobias: Vor allem, dass ausserhalb von Behältern deponierter Abfall nicht dortbleibt, sondern von Tieren verstreut wird. Dass dieses Phänomen auch in urbanen Parks vorkommt, war auch mir neu, weshalb ich annehme, dass es vielen Personen nicht bekannt ist. In der Forschung zu Littering in städtischen Gebieten wird das Deponieren von Abfall in Säcken neben den Entsorgungsstellen i.d.R. gar nicht als Problem, sondern vielmehr als Indikator für eine erfolgreiche Anti-Littering Kampagne betrachtet. Auch nehme ich an, dass die Personen, welche den Abfall so deponieren, dies mit besten Absichten tun und auch einen beträchtlichen Aufwand auf sich nehmen, um ihren Abfall einzusammeln. Daher wäre es schade, wenn diese Anstrengungen umsonst wären. Die Kampagne soll die Parkbesuchenden dazu bewegen, ein klein wenig mehr zu leisten, so dass sich der Aufwand des Einsammelns ihres Abfalls auch wirklich lohnt. Damit baut diese Kampagne auf den Befunden der ersten Kampagne auf, dass im Irchelpark wenig Abfall einfach liegengelassen, dieser aber oft ausserhalb von Behältern entsorgt wird.

C. Fischer: Wer finanziert die Kampagne?

B. Degenhardt: Die Sachkosten der Plakatkampagne werden von den beiden Fakultäten MNF und MeF finanziert. Die Personalkosten für das Plakatdesign und die Umsetzung im Feld werden durch unsere Fachstellen Scientific Visualisation and Visual Communication, BDI, das Dekanat MNF sowie das Psychologische Institut der UZH getragen. Die Design- und Druckkosten des «Sauberer Irchelpark» Projektes wurden dazumal vom Portfolio- und Assetmanagement bezahlt, die Personalkosten wiederum aus den laufenden Personalmitteln der beteiligten Projektpartner*innen.

R. Tobias: Zudem drei Praktika und eine Masterarbeit, welche die Student*inn*en unbezahlt leisteten.

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C. Fischer: Abschliessend, was wünschen Sie sich von den Parkbesucherinnen und -besuchern für die Zukunft?

R. Tobias: Dass sie den Elan aufrechterhalten, den Park sauber zu halten, auch wenn es mal vorkommt, dass einige Personen nicht aufräumen. Dass uns solche Anblicke so ins Auge stechen, kommt ja genau daher, dass die allermeisten Parknutzenden ihren Abfall korrekt entsorgen. Die meisten Besuchenden des Irchelparks verhalten sich vorbildlich.

B. Mangano: Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen andere ansprechen, wenn diese ihren Abfall achtlos liegen lassen oder Glasflaschen zertrümmern. Wir haben einen wunderschönen Park: Hier spielen Kinder, hier leben Tiere. Wir haben mindestens drei Fuchsfamilien, die hier jedes Jahr ihre Welpen aufziehen.

B. Degenhardt: In meinen Augen ist es ein Glück, einen so grossen naturnahen öffentlichen Park als Erholungsraum ganz in der Nähe des Ausbildungs-, Arbeits- oder Wohnortes zu haben. Zahlreiche Studie belegen z.B. den bedeutsamen Gesundheitswert des einfachen Zugangs zu Parks und naturnahen Landschaften im Alltag. Ein substanzieller Service Publique für die Gestaltung und Pflege eines öffentlichen Raumes war und wird immer notwendig bleiben. Aber eine gewisse Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger im Kleinen und Alltäglichen braucht es aus meiner Sicht auch dafür. Sollten also doch einmal, nach einer schönen Zeit im Park, alle auf dem Arbeits- oder Heimweg liegenden Abfallhaie und Container voll sein, dann wäre es schön, wenn - einfach wie beim Wandern in den Bergen - der eigene Müll mit nach Hause genommen und dort entsorgen wird.

C. Fischer: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Fotos: Benedetto Mangano.

 

Kontakt "Wir sind neugierig!" Kampagne:

Dr. Barbara Degenhardt, barbara.degenhardt(at)uzh.ch, Nutzungsmanagement Campus Irchel UZH